vom Bleistift im Amt

Uwe Roz, nachgeordneter Mitarbeiter einer abgehobenen Dienststelle, spitzte mit Sorgfalt den ihm dienstlich zur Verfügung gestellten Bleistift und nutzte diese Gelegenheit zu vertiefenden Gedanken zu seiner Tätigkeit als solcher, bzw. zur Untätigkeit im Amt. Das Wetter draußen, welches er schon wiederholt und ausgiebig durch sein Fenster sowohl betrachtet, als auch als unattraktiv verworfen hatte, gab lediglich zu trüben Gedanken Anlass. Unten, auf dem spärlichen Rasen vor seinem Fenster, pickte eine Amsel emsig in den verwelkten Blättern herum, offenbar gelegentlich erfolgreich. Einige Kaninchen hoppelten gemächlich vor sich hin und Uwe Roz schweifte in seinen Gedanken kurz zum Vermehrungsinteresse dieser niedlichen Nager ab. Doch er verbot sich weitere frivole Gedanken, die in seiner freudlosen Amtsstube ins Leere fallen mußten.

Während er nun weiterspitzte wanderte sein Blick über den aufgeräumten Schreibtisch, wo die Utensilien des Alltags säuberlich getrennt in verschiedenen Behältern auf Inanspruchnahme harrten: Die Stifte, der Radiergummi, die Schere, das Lineal, der Locher … der Block mit den Post-it‘s. Nicht eine einzige Akte hatte sich auf dem Tisch halten können, schon am Vortag hatte er die letzte in das dafür vorgesehene Geschäftszimmerfach geschoben, wo sie der zuständige Mitarbeiter demnächst entnehmen und administrativ abschließen würde. Herr Roz würde diesen Verwaltungsakt weder unmittelbar bemerken noch weiter zur Kenntnis nehmen. Alsdann würde die Akte zunächst einige Zeit auf einem Zwischenstapel verbleiben, um dann endlich alphabetisch korrekt in einem Ordner abgelegt zu werden. In einigen Monaten würde sie dann in den Archivkeller umgelagert und schließlich nach fünf Jahren geschreddert. Wie viele hundert gleichartige Akten ebenso, jeweils säuberlich vermerkt in den Unterlagen dieses verschlafenen Amtsreferats, dessen Leitung die persönliche Trägheit in Jahren der Übung ebenso perfektioniert hatte wie die Fähigkeit, das Nichts an Aufwand allerorten als anstrengend bis belastend darzustellen. Gut war in diesem Zusammenhang, dass eine Aufsicht aus Gründen der fachlichen Zuständigkeit nicht vorgesehen war.

Geschreddert würden die nutzlos gewordenen Akten wie dieser Bleistift in seiner Hand, dem das gedankenvolle Drehen der Klinge entgegen nicht wohlgetan hatte. Seine Stattlichkeit war sozusagen dahingeschnitzelt, zwar war die Mine spitz und zu entsprechenden Anmerkungen durchaus bereit – nunmehr fehlte jedoch der Schaft, um den nötigen amtlichen Nachdruck zu verleihen.

Mit einem bedauernden Blick entnahm Herr Roz den Rest, um ihn alsbald zu entsorgen. Ein Flöckchen am Spitzer wurde weggepustet. Eine neue Amtstätigkeit in Angriff genommen. Ein Tag voller Herausforderungen, sozusagen, und nicht ohne Opfer.