[zu den Erlebnissen, die mein Leben sicher geprägt haben, gehört das mehrmonatige Zwangszusammenleben mit einem Fremden in einem Container. Ort des Geschehens: Bosnien – Herzegowina, „Einsatz“ als Soldat einer sogenannten Friedenstruppe. Man wird mit jemandem zusammengesteckt, den man nicht leiden kann, und dann bleibt das unverändert so. Auf kleinstem Lebensraum, 7 gleiche Tage in der Woche, über Wochen.
Nun, mein Lebensabschnittsgefährte hatte die eine oder andere Gewohnheit, die sich von den meinigen unterschied. Hier ist eine davon.]
Advent.
Manchmal kommt der Engel des Herrn auch in meinen Container. Auf seiner Wolke, meist nach Mitternacht. Die Ingredienzien des Vorderen Orients mischen sich aufs Lieblichste mit den Aromen des destillierenden und brauenden Gewerbes, hier und dort ein sodbrennerischer Begleithauch, über allem eine männlich-herbe Note aus intensiv-geräuchertem Körpersaft.
Er schwebt – oder besser: er wabert herein, mein duftender Engel, entledigt sich lästiger Körperbedeckungen, so noch feinere Nuancen preisgebend und sinkt ermattet auf seinen seidigen Divan. Vielleicht hier und dort eine Aromaverdichtung aus diversen Körperöffnungen: Sein sanftes Schnarchen zeigt mir an: bis zum Morgen gehört mir seine Wolke allein. Welch ein Glück, dass sich Körperreinigung bei Engeln naturgemäss erübrigt …
P.S. Finde am Morgen im Eingang einige kleinzehengrosse Hornhautschuppen. Bin irritiert, macht Schweben auch Schwielen? Soll es ein Geschenk sein? Beschliesse, dankbar zu sein.
Ist ja schliesslich ein Engel.